Raum und Farbimpulse - unsere Paramente

Auf den ersten Blick mag die Martin-Luther-Kirche schlicht erscheinen. Wer sich etwas Zeit lässt, entdeckt immer mehr Details, die den Raum gemeinsam zu einem besonderen Ort machen. Die Textilien, die seit dem Jahr 2019 an der Vorderseite von Predigtkanzel und Lesepult hängen, tragen wesentlich dazu bei. Sie werden auch Paramente genannt und weisen in ihrer Farbigkeit auf die Zeit im Kirchenjahr hin – ihre Symbolik entfalten sie durch die Farben, die im unteren Bereich der Paramente zu sehen sind.

Der Altar mit seinem gestalteten Sockel ist unverhüllt und trägt nur ein schlichtes weißes Tischtuch – und in seiner Bedeutung ist er zunächst ein Tisch, der alle in die Gemeinschaft einlädt. Den Farben im Kirchenjahr und ihrer Bedeutung ist dieser kleine Überblick gewidmet. Kommen Sie mit auf eine kleine Gedankenreise, sehen Sie die Paramente im Laufe des Kirchenjahres und lesen Sie, was die Textildesignerin Petra Bröckers-Beling zu ihrer Gestaltung sagt.

Violett: Kein Fest ohne Vorbereitung

Vorbereitung (und Buße) wie Adventszeit, Passionszeit vor Ostern, Buß- und Bettag

Violett ist aus warmem Rot und transzendentem Blau gemischt. Sie ist die dunkelste Farbe, die für das Gleichgewicht zwischen Erde und Himmel steht. Am Textil der Kanzel steht das obere dunkle Blauviolett für das Geschehen der Heiligen Nacht. Am Fuße beginnt die Abfolge von rot- und blauviolettem Loden. Die aufgemalten Zeichen darauf sind archaisch und bilden die Basis, über der das changierend gelb-weiße Seidendamast leuchtet. Dieser Stoff zeigt Sternenkreuze und ist ein Jacquardgewebe aus dem 19.Jahrhundert.

Rot: Feuer, Liebe und Segen

Feuer, Liebe und Segen – zuallererst Pfingsten und christliche Gedenktage sowie besondere Feste wie der Reformationstag, Konfirmationen und Ordinationen

Im Kanzelbehang steht das dunkelste Rot am Fuße für das Feuer und als solches für die Märtyrer, von denen manche darin umkamen. Aufsteigend folgen hellere Farbtöne, die für das Leben, die Liebe stehen. Neben der leuchtend roten flauschigen Mitte beruhigt das Blaugrün und verweist auf den mit Würfeln bedruckten ocker-gelben vielfarbigen Samt, stabilisierend, einigend.

Den Abschluss bildet das roséfarbene Loden-Melange: es möchte ins Licht und verbindet sich damit mit den rosaorange Farbtönen im Glas der Andachtsecke.

Weiß: Christusfeste

Licht, Ewigkeit, Freude und Christusfeste wie Weihnachten und Ostern

Weiß ist die Farbe des ungebrochenen Lichtes. Ausgehend von der Basis eines feinen Türkisblaus und Graus im Behang der Kanzel steuern leicht bewegte Linien in Richtung eines roten haptisch verlockenden Wollsegments. Es wird überstrahlt von der folgenden rein weißen Leinenfläche. Sonniges Gelb und Federn in luftiger Höhe bringen die Seele ins Spiel.

Beim Behang des Lesepultes endet das irdische Farbenspiel mit einer schwarzen applizierten Linie aus Loden: Zu weiß gehört auch der Tod. Wer genau hinsieht, kann darüber ein flüchtig zartes Gewölk, gedruckt auf Baumwollcanvas, erkennen.

Grün: Sonntagsfarbe allezeit

Saat, Wachstum, Hoffnung, Gedeihen nach der Aussaat im Frühjahr (Trinitatis) und zur Erntezeit sowie in der Vorpassionszeit

Grün ist eine inspirierende, beruhigende Farbe. An der Kanzel bildet das dunkelste Grün die Basis für die weiteren dezenten Grüntöne. Das Blaugrün akzentuiert mit der flauschigen roten Alpakawolle die Mitte. Die handgeführte Maschinenstickerei auf weißem Leinen und dem gelben Lodenabschluss korrespondiert mit der Struktur der Farbschichten des Altarbilds.

Hingegen endet am Lesepult die grüne Farbabfolge mit einer braunschwarzen Lodenapplikation. Die Stickerei in zwei verschiedenen Gelbtönen, drei verschiedenen Blau- und Rosatönen unterscheidet sich thematisch und in der Dynamik von dem Kanzelbehang. Es ist das schwimmende Netz gegenüber dem Segel im Wind.

Das Material

Das Grundmaterial der Segmente besteht aus hochwertigem, gewebtem und gewalktem Loden in 31 Farben aus Schurwolle, Melange garngefärbt und uni stückgefärbt. Das stabile, leicht transparente Trägermaterial, ein Vorhangpaneel, besteht aus Polyester.

Fugen, Wolle und Kontraste

Ihr Konzept der Gestaltung entwarf Petra Bröckers-Beling mit Bezug zur Architektur der Kirche und zu den Gottesdiensten, die darin gefeiert werden.

Allen Paramenten liegt dasselbe rhythmisierte transparente Liniensystem zu Grunde. Darin spiegeln sich die Fugen im grauen Betonstein von Lesepult und Kanzel als Fuge zwischen Farbflächen wider. Wie stark diese Linien in Erscheinung treten, hängt von der Helligkeit der umgebenden Farbsegmente ab.

Die Farben sind klar und kontrastreich, was vor dem Hintergrund der weißen Wände Wärme und Lebendigkeit in den Altarraum bringt. Einzig die weiße liturgische Farbe enthält keine starken Kontraste.

Besonders gestaltete Elemente befinden sich oberhalb der Tuchmitte, oft mit Fokus auf eine kräftige Farbe. So gliedern sich die Behänge in eine meist dunklere Basis und einen oberen lichten Bereich.

Weitere Infos zur Künstlerin unter www.broeckers-beling-design.com

Alle Fotos (c) Dethard Hilbig, Burgdorf